Einrichtung - Kläranlage, Abwasserentsorgung

Kläranlage

Kläranlage, Abwasser

Störungsdienst:
Verwaltungsgemeinschaft Zellingen
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Altbürgermeister Armin Weber im Labor

Der (damalige) Bürgermeister Armin Weber bei der Einweihung der Kläranlage am Samstag, 10. September 1994: „Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlage ist eine unserer wichtigsten Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben. Er umfasst alle Maßnahmen, die auf eine Sicherung und Verbesserung der Umwelt gerichtet sind, insbesondere auf die Reinhaltung des Bodens, des Wassers und der Luft sowie die Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt.“

Chronik zur Entstehung der 2. Thüngener Kläranlage

  • 3. Juli 1989: Prüfung des Entwurfs durch das Wasserwirtschaftsamt
  • 18. Januar 1990: Bewilligung durch das Bayerische Staatsministerium des Inneren
  • 25. September 1990: Vergabe der ersten Arbeiten durch den Gemeinderat
  • 1991: Beginn des ersten Bauabschnittes
  • Mai 1994: Inbetriebnahme der Anlage
  • 29. Juni 1994: Abnahme der Anlage
  • 10. September 1994: Feierliche Übergabe und Einweihung
  • 14. März 2002: Anschluss der Nachbargemeinde Heßlar
  • 19. Dezember 2007: Anschluss der Nachbargemeinde Stetten
  • 29. Januar 2021: Klärwärter Hubert Druschel, der die Anlage von Beginn an betreut hatte, geht in den Ruhestand. Marco Eckert ist sein Nachfolger.
  • 2022: Cornelius Müller kümmert sich um die Funktionalität der Kläranlage.
Im ehemaligen Rathaussaal, in dem auch die Bücherei untergebracht war, wurden die Entscheidungen getroffen

Kläranlage - Ursache und Technik

Für die Behandlung der Abwässer aus dem Markt Thüngen stand bis zum Jahre 1994 eine biologische Kläranlage in Form eines Oxydationsgrabens mit nachgeschaltetem Nachklärbecken zur Verfügung, die noch aus den Anfängen der 60er Jahre stammte. Damit verfügte der Markt Thüngen schon sehr früh über eine der ersten vollbiologischen Kläranlagen im Landkreis. Durch die starke Belastung aus dem gewerblichen Bereich und auch die Zunahme bei den Einwohnern war die Anlage stark überlastet, so dass bereits im Jahre 1976 eine Erweiterung am vorhandenen Standort zur Diskussion stand.

Entscheidung für eine neue Anlage

Mit der Vorlage des Entwurfs für die Kläranlage im November 1984 kam erneut eine Diskussion über die Erweiterung am vorhanden Standort auf. Durch die Errichtung von Hochbauten und zusätzlichen Becken auf dem vorhandenen Kläranlagengrundstück wurden Immissionsschwerpunkte an die Grundstücksgrenze verlagert und damit noch näher an die Wohnbebauung herangerückt. Auch der schlechte bauliche Zustand der mittlerweile 25 Jahre alten Kläranlage machte die Entscheidung etwas leichter, die bestehenden Anlagenteile nicht mehr in das Gesamtkonzept ohne größeren Sanierungsaufwand zu integrieren. Ein ein neuer Kläranlagenstandort wurde ins Auge gefasst.

Vier Standorte

Insgesamt standen vier Standorte zur Diskussion, die unter Beteiligung des Landratsamtes für Umweltschutz begutachtet wurden. Letztendlich kam es zu der Entscheidung, am Standort zwischen Thüngen und Stetten, links der Wern, eine Kläranlage zu errichten. Auch waren die Belange des Straßenbauamtes, der Naturschutzbehörden und wegen dem Hochwasserabflussbereich das Wasserwirtschaftsamt von Bedeutung. Nach Würdigung aller Vor- und Nachteile waren sich die eingeschalteten Träger öffentlicher Belange einig, dass die Verwirklichung der Kläranlage des Marktes Thüngen auf dem Standort Nr. 2 zwischen B26 und neuer Wern errichtet werden soll.

Reinigungsverfahren

Als Reinigungsverfahren für die neue Kläranlage kamen kompakte Tropfkörperanlagen, Belebungsanlagen mit gemeinsamer Schlammstabilisation und belüftete Teichanlagen in Frage. Bei einem Vergleich der Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen wurden auch die örtlichen  Hauptverschmutzer (Brauerei und Metzgereien) mit ihren schwankenden Belastungsspitzen betrachtet. Darüber hinaus steht der Grundwasserstand am Kläranlagenstandort sehr hoch an, so dass die Gründung von tiefliegenden Bauwerken die Kosten beeinflusst. Die Nähe zur B26 bedeutet eine 20 Meter breite Anbauverbotszone für Hochbauten. Nach Abwägung aller Für und Wider fiel die Entscheidung für eine belüftete Teichanlage. Gründe dafür waren eine einfache Betriebsführung und Vorteile bei der Schlammbehandlung und Lagerung.

Die amtliche Prüfung des Entwurfs wurde vom Wasserwirtschaftsamt Würzburg am 3. Juli 1989 durchgeführt.

Ausbau für 4.700 Einwohner

Nachdem die Kläranlage des Marktes Thüngen auf eine Ausbaugröße von 4.700 Einwohnern bemessen wurde und damit nahe an die Anforderungen der Abwasserbehandlungsanlagen der Größenklasse 3 (5.000 Einwohner) heranreicht, wurde auf Wunsch des Marktes und in Absprache mit dem Wasserwirtschaftsamt Würzburg zusätzlich zur Rechenanlage eine weitergehende Reinigungsstufe in Form eines Tauchkörpers zwischengeschaltet. In diesem Anlagenteil erfolgt die Nitrifikation. Auch durch die Betriebsweise im ersten Teich soll eine Teildenitrifikation nach den betrieblichen Möglichkeiten vorgenommen werden.

Am 18. Januar 1990 erteilte das Bayerische Staatsministerium des Inneren den Bewilligungsbescheid über die Abwasseranlage BA 05, der den Bau der Kläranlage, das Regenüberlaufbecken mit Entlastungskanal sowie den Zuleitungskanal vom Ortsrand beinhaltete. Nachdem die Finanzierung gesichert war, stand der Verwirklichung des Projektes nichts mehr im Wege.

Ausschreibungen

Die Bauleistungen wurden öffentlich ausgeschrieben. Zunächst wurden die Arbeiten für den Bau des kombinierten Regenüberlaufbeckens mit Beckenüberlauf und Pumpwerk sowie den Zu- und Ablaufkanälen mit Marktgemeinderatschbeschluss vom 25. September 1990 vergeben. Im Anschluss daran erfolgte die öffentliche Ausschreibung der Kläranlage am 7. Juni 1991. Da das Ausschreibungsergebnis erheblich über der Kostenberechnung lag, wurde wegen der nicht gesicherten Finanzierung die damalige Ausschreibung aufgehoben und eine neue Ausschreibung erfolgte dann im Winter 1991/92. Nachdem bei dieser erneuten Ausschreibung ein besseres Ergebnis erzielt werden konnte, vergab der Gemeinderat mit Beschluss vom 14. Januar 1992 die Arbeiten.

  • Im Mai 1992 wurde mit den Bauarbeiten begonnen.
  • Im August 1993 wurde mit dem Füllen der Teiche begonnen.
  • Die Abnahme der Kläranlage wurde am 29. Juni 1994 erfolgreich durchgeführt.
Die Anlage, am westlichen Ortsausgang von Thüngen in Richtung Karlstadt-Stetten
Die Teiche
Die Teiche

Zulauf

Die Kläranlage liegt etwa 250 Meter vom Ortsbereich in westlicher Richtung entfernt. Das im Kanalnetz gesammelte Mischwasser (Schmutz- und Regenwasser in einem Kanal) wird über einen Freispiegelkanal sowie Druckleitung der Kläranlage zugeführt. In diesem Zulaufabschnitt befindet sich ein kombiniertes Regenüberlaufbecken als Fang- und Durchlaufbecken mit der vorgeschalteten Pumpstation. Zu Beginn eines Regens wird der stark verschmutzte Spülstoss zunächst in dem Fangebecken zwischengespeichert. Ist das Becken gefüllt, so gelangt das nachfließende Wasser in das Durchlaufbecken. Das gespeicherte Abwasser wird über die Pumpstation der Kläranlage zugeführt, während das nachfließende, saubere Regenwasser bei gefüllten Becken über den Klärüberlauf bzw. Beckenüberlauf in die Wern abgeschlagen wird. Der Zulauf zur Kläranlage erfolgt dann über eine Druckleitung DN 200 GGG.

Rechenraum

Diese Druckleitung mündet in das Betriebsgebäude der Kläranlage, in dem auch der Rechenraum integriert ist. Hier wurde ein automatisch räumender Rechen mit einem Notumlaufgerinne installiert, der nach dem Gegenstromprinzip arbeitet. Im ungeklärten Abwasser sind in erheblichem Umfang Textilien, Papier, grobe Speisereste und andere ungelöste Stoffe enthalten. Durch das Vorschalten eines Rechens werden Betriebsstörungen wie Verstopfungen an den Lüftungsaggregaten in den Teichen und dergleichen vermieden. Die zurückgehaltenen Abfallstoffe bewirken vor dem Rechen eine Querschnittsverengung, so dass der Wasserspiegel ansteigt. Nach Erreichen einer entsprechenden Wasserspiegeldifferenz vor und nach dem Rechen erfolgt eine automatische Räumung, wobei das Rechengut in einen bereitgestellten Müllcontainer abgeworfen wird. Ein bis zwei Mail pro Monat wird das Rechengut im Rahmen der Müllentsorgung abgeholt.

Der Gegenstromrechen
Der Gegenstromrechen
Pumpenkeller im Abwasserpumpwerk

Sandfang

Über eine Kanalleitung DN 300 gelangt das Abwasser vom Rechen zu dem belüfteten Rundsandfang. Im Rundsandfang lagert sich der schwere Sand ab und auch eine Trennung von den organischen Bestandteilen erfolgt, die im Abwasser zur weiteren Behandlung verbleiben sollen. Eine Mammutpumpe fördert das Sand-/Wassergemisch in einen bereitgestellten Entwässerungscontainer, in dem der Sand zwischengespeichert wird und das Wasser dem Sand wieder entzogen wird und der Kläranlage wieder zuläuft. Dem Sandfang zugeordnet ist ein Einlaufschacht, welcher so angeordnet wurde, dass frisches Rohabwasser mit dem zurückgeführten Nitratwasser der Tauchkörperstufe durchgemischt werden kann. Durch diesen entstehenden Durchmischungseffekt soll eine anschließende Denitrifikation verbessert werden.

Teich I und Teich II

Im Anschluss an den Sandfang wird das Abwasser über einen Kanal DN 300 der biologischen Reinigungsstufe zugeführt. Diese besteht aus den Teichen I und II mit künstlicher Belüftung und Umwälzung. Die belüftete Teichanlage ist ein überwiegend biologisch bzw. biochemisch wirkendes Verfahren, bei dem die Reinigungswirkung hauptsächlich auf die Stoffwechselleistungen verschiedener Mikroorganismen, wie Bakterien, Pilze, Algen und Protozeon zurückzuführen ist. Zur Behandlung von Rohabwasser spielen aber auch Sedimentationsvorgänge für absetzbare Stoffe oder Flockungsvorgänge für kolloidale Stoffe eine wesentliche Rolle.

Bakterien

Abwasserteiche arbeiten im fakultativen Bereich, d. h., neben aeroben Abbauvorgängen im Wasserkörper finden anaerobe Abbauvorgänge insbesondere in den Bodenschlammschichten statt. Die in dieser Schlammschicht angesiedelten Bakterien sind befähigt, sowohl im sauerstoffhaltigen als auch im sauerstofffreien Milieu ihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Durch das Umwälzungsaggregat werden die aerob arbeitenden Mikroorganismen mit Sauerstoff und organischer Verschmutzung versorgt. Die Organismen besorgen den Abbau oder Umbau komplexer organischer Stoffe zu einfacher aufgebauten Molekülen bzw. bei vollständiger Mineralisierung bis zu Kohlendioxid und Wasser.

Klärschlamm

Der abgesetzte mineralisierte Schlamm muss nach etwa 5 bis 10 Jahren aus den Teichen genommen werden. Dabei wird der erste Teich früher als der letzte Teich zu räumen sein. Für diesen Betriebszustand sind entsprechende Umgehungsleitungen zwischen den einzelnen Teichen gebaut worden, damit auch während der Teichentleerung die Abwasserreinigung in dem verbleibenden, belüfteten Teich aufrecht zu halten ist.

Belüftung

Insgesamt sind in den Teichen sechs Belüftungsaggregate installiert. Sie bestehen aus Tauchpumpen, die über eine Hohlwelle Luft ansaugen und das Luft-/Wassergemisch über ein Rohrstück in den Teich eindrücken. Zur Durchführung der turnusmäßigen Wartungsarbeiten werden die Pumpen über eine Schiene aus dem Teich herausgezogen.

Abgrenzung

Der Einlaufbereich des ersten Teiches sowie entlang der Leitwand ist betoniert, um hier die Schlammräumung zu erleichtern. Zu diesen Räumarbeiten können auch Fahrzeuge in den abgelassenen Teich über eine Betonrampe einfahren. Die Abdichtung der Teiche wurde durch eine Betonitmatte vorgenommen, die nach Errichtung des Planums hierauf aufgelegt wurde und bis über den Wasserspiegel reicht. Zum mechanischen Schutz wurde bei Teich I wegen der Räumung eine Betonschicht aufgebracht, während bei den anderen Teichen eine Mineralbetonlage von 30 Zentimetern aufgebracht wurde. Der Teich I besitzt eine Leitwand, um die Strömungsverhältnisse zu steuern, die durch die intermittierende Betriebsweise der Umwälzaggregate die Denitrifikationsleistung der Kläranlage beeinflussen sollen.

Tauchkörperstufe mit Grobentschlammung
Tauchkörperstufe mit Grobentschlammung
Tauchkörperstufe mit Grobentschlammung

Tauchkörperstufe mit Grobentschlammung und Rücklaufpumpe

Nachdem das Abwasser den belüfteten Teich II verlassen hat, ist der Kohlenstoffabbau weitestgehend erfolgt. In der Tauchkörperstufe erfolgt nunmehr über insgesamt vier Kunststofftrommeln die Stickstoffoxydation. Das Abwasser durchläuft die vier Kaskaden nacheinander und mündet in ein Becken zur Grobentschlammung ein, in dem auch Rücklaufpumpen installiert sind. Mittels zweier Pumpen, die intermittierend arbeiten, wird das nitrathaltige Wasser sowie der abgesetzte Schlamm in den Zulauf im Bereich des Rundsandfangs zurückgeführt. Der über die Rückführung hinausgehende Teilstrom gelangt dann in den Nachklärteich.

Nachklärteich

Im Nachklärteich wird das Wasser so weit beruhigt, dass die Schwebestoffe sich abscheiden und am Boden absetzen. Die Abscheidung wird durch die große Aufenthaltszeit bei Trockenwetter von rund 36 Stunden und bei Regenwetter von etwa 7,7 Stunden erreicht. In der im Nachklärteich integrierten Flachwasserzone sollen durch eine Bepflanzung auf kärglichem Boden dem Abwasser weitere Nährstoffe entzogen werden, damit sie nicht in die Wern gelangen und hier die Eutrophieehrung noch erhöhen.

Abwassermesseinrichtung

Der Ablauf aus der Kläranlage wird über eine Venturi-Messeinrichtung registriert. Die gemessenen Werte werden über ein Kabel in das Betriebsgebäude übertragen. Hier können der momentane Durchfluss und auch die aufsummierten Tagesdurchflusswerte abgelesen werden. Zur Ermittlung der Jahres-Schmutzwassermenge und damit auch zur Berechnung der Abwasserabgabe wird diese Ablaufmessung benötigt.

Die Abwassermesseinrichtung
Die Abwassermesseinrichtung
Die Betriebswarte
Die Betriebswarte
Die Betriebswarte

Betriebsgebäude

Der Bereich der Kläranlage wurde durch die Auffüllungen in etwa auf das Niveau der parallel laufenden Bundesstraße gebracht. Dies bedeutete im Bereich des Betriebsgebäudes eine Auffüllung von etwa drei Metern, so dass hier ein Kellergeschoss entstand, um auf dem gewachsenen Boden das Gebäude zu gründen.

Das Betriebsgebäude selbst beinhaltete neben dem bereits angesprochenen Rechenraum einen Wärterraum mit Schaltzentrale, Labor sowie WC mit Dusche und Umkleidebereich. Weitere Lagerflächen befinden sich noch auf dem Dachboden, der über eine Ziehleiter zu erreichen ist. Für die ständig erforderlichen Abwasseruntersuchungen im Rahmen der Eigenüberwachung ist das Labor mit entsprechenden Einrichtungen ausgestattet. Im Kellerbereich ist ausreichend Platz zum Lagern als auch für Reparatur- und Werkstattarbeiten vorhanden.

Das Betriebsgebäude
Beim Überfliegen der Anlage wird die Größe der drei Becken mit dem Betriebsgebäude deutlich

Die 1. Thüngener Kläranlage (1958 – 1994)

1958 wurde die erste Kläranlage von Thüngen in Betrieb genommen. Vermutlich war sie die zweite vollbiologische Anlage in der Bundesrepublik Deutschland. Sie arbeitete mit einem Umwälzgraben.

Die erste Anlage, die nicht geruchsneutral war, befand sich direkt neben dem Sportplatz in der Bahnhofstraße. Hin und wieder mussten auch fehlgeleitete Bälle der Kicker aus dem Becken geholt werden.

1994 wurde die Anlage außer Betrieb genommen. Die Grundfläche ist heute Bestandteil des Freizeitgeländes unweit der neuen Teich-Kläranlage. Die Asphaltfläche der Freizeitanlage stellt die Größe der ehemaligen Anlage dar.

Die 1. Kläranlage von Thüngen (1958 - 1994)